Ballottino

Vom Los zur Lösung

Wir sind eine Arbeitsgruppe, die sich mit der Anwendung von Losverfahren in der Demokratie beschäftigt.

Warum Ballottino?

In mittelalterlichen italienischen Städten gab es eine merkwürdige Form der Wahl. Venedig wurde z.B. von einem Dogen beherrscht, einem mächtigen Mann, der dem örtlichen Adel entsprang. Das Amt war aber nicht erblich, wie in der Regel bei Königen üblich, sondern der Doge wurde gewählt. Sicher gibt das Stoff für Dramen, mit Intrigen oder gar Mord, nicht wahr?

Natürlich waren sich die führenden Familien auch im Venedig des Mittelalters nicht immer grün. Aber sie hatten ein cleveres Verfahren, um Bestechung, Drohungen und Intrigen bei der Dogen-Wahl ins Leere laufen zu lassen. Der Doge wurde nicht einfach von den führenden Familien aus ihren Reihen per Mehrheitsbeschluss gewählt. Er wurde in einem kompliziert anmutenden Prozess, bei dem immer wieder Wahl und Los einander abwechselten, bestimmt.

Und hier kommt unser Ballottino ins Spiel. Ein armer Junge, aufgegabelt auf dem Marktplatz in Venedig, einer, der mit dem Gerangel der Adelsfamilien nichts am Hut hatte. Er zog die Lose. Als Kind von etwa 10 Jahren galt er als noch unschuldig und unverdächtig.
So wie er wollen wir politische Verfahren ermöglichen, die demokratisch, fair und unparteiisch sind.

Natürlich hatte das venezianische Verfahren nicht besonders viel mit Demokratie, also einer Herrschaft des Volkes, zu tun, Venedig war immer noch eine Adelsoligarchie. Das Verfahren bestand bemerkenswert lange, etwa 500 Jahre lang. In Florenz, so es nicht gerade von den Medici beherrscht wurde, gab es ein ähnliches Verfahren, bei dem ein sehr viel größerer Teil der Bevölkerung mitmachen durfte, das also demokratischer war. Denn letztlich hängt die Frage, wie demokratisch ein Verfahren ist, nicht an der Art des Verfahrens. Es wurden schon Päpste und Kaiser gewählt. Entscheidend ist, welcher Anteil der Bevölkerung gleichberechtigt an Entscheidungen beteiligt ist. Dass alle Bürger in den heute üblichen parlamentarischen Demokratien den gleichen Einfluss auf Entscheidungen hätten steht unserer Meinung nach nur auf dem Papier.

Was hat das Los mit Politik oder gar Demokratie zu tun?

Eine ganze Menge. Nicht nur, dass das beide Wörter aus dem Griechischen stammen, wo in Athen über 200 Jahre lang ein Stadtstaat bestand, in dem die Bevölkerung (ja, nur die freien Männer, aber immerhin) das Sagen hatte. Und zwar in einem System, das fast nur Losen und kaum Wahlen kannte.

Das Los ist vielfältig mit anderen Auswahlverfahren kombinierbar und bringt hier interessante Wirkungen hervor. In einer Demokratie, die nicht mehr weiter weiß, die sich angesichts einer nicht enden wollenden Krise aus Krisen eher um sich selbst dreht statt Probleme zu lösen ist es doch zumindest einen Versuch wert.